Joseph Gnädinger

Joseph Gnädinger wird am 4. April 1919 in Ramsen geboren und stirbt in seinem Elternhaus am 5. Juni 2000. Er beginnt als Bauer zu Hause im schaffhausischen Ramsen. Sein Lehrer Hans Schweri regt ihn früh an, sich im Malen zu versuchen.

Mit 22 Jahren zeigt er im Kunstverein Schaffhausen seine ersten Bilder. Neben der Arbeit auf dem elterlichen Bauernhof beschäftigt er sich weiterhin mit Holzschnitten und Gemälden. Er baut sich im Obstgarten sein eigenes Atelier. Es folgen Ausstellungen in Schaffhausen, Singen und Zürich. 1963 erhält er den Georg Fischer Preis der Stadt Schaffhausen.

Zwei Jahre später folgt er dem Ruf des Franziskanerpater Benedikt nach Afrika. Er zieht als «Bauer und Entwicklungshelfer» ins Savannendorf Bombouaka nach Togo in Westafrika. Auf der Missionsstation ist er als Berater und Lehrer tätig; er zeichnet und malt in seiner Lehmhütte.

 

Nach 17 Jahren kehrt er in sein Atelier und in sein Bauernhaus in Ramsen zurück. Er lebt und arbeitet im Kreise der Verwandten und zeigt alljährlich in der von einem Neffen entworfenen Galerie (1987, M.W.) nach Motiven oder Themen gegliedert seine Arbeit.

Das Museum zu Allerheiligen Schaffhausen würdigt sein Werk mit drei Einzelausstellungen, 1960, 1974 und 1994; die Hommage im November 2000 mit Bildern aus Museumsbesitz vermittelt die Präsenz des Künstlers.

(Hans Weckerle)

Werk

Joseph Gnädinger 1919 - 2000

Werkwürdigung von Frank Nievergelt

 

Neben Impulsen durch Künstler der Region und des deutschen Expressionismus verarbeitet Gnädinger verschiedene Richtungen der Kunst des 20. Jahrhunderts. Als moderner Künstler nimmt er sich die Freiheit, ohne Stildiktat Farbigkeit und Malduktus der Thematik anzupassen. Schon die frühen Werke der 40er Jahre lassen eine unkonventionelle Sicht auf die Familie, Ramsen und die Stadt Singen erkennen. Künstlerisch bewältigt er auch die Ereignisse im Grenzdorf während des Zweiten Weltkrieges. Wichtiges Ausdrucksmittel ist der Holzschnitt, den er für die religiösen Themen bevorzugt.Mit dem Aufenthalt in der fremden Welt Afrikas beginnt eine zweite Schaffensphase, die den Durchbruch zu kräftiger Farbigkeit und heftigem, freiem Mal‐ und Zeichenduktus bringt. Zurück in Ramsen, ist sein Blick auf das Altvertraute neu, intensiv, frisch und direkt. Primär malt Gnädinger stets seine Umwelt, die Landschaft mit Menschen, Pflanzen und Tieren. Aber er betrachtet auch sich selbst ‐ an den Selbstbildnissen lässt sich seine stilistische Entwicklung ebenso verfolgen wie die Wandlung seines Selbstverständnisses als Künstler. Natur ist bei ihm Bewegung; in ihr verwurzelt sieht er sich als Teil eines grösseren, umfassenderen Ganzen.Die Wiedererkennbarkeit des Dargestellten tritt zugunsten von Emotion und Expression zurück. Selbst in seiner tiefen Naturverbundenheit fühlt sich Gnädinger frei, was er wahrnimmt dichtend‐bildend als Vision festzuhalten. Reduktion bedeutet ihm Konzentration auf Gehalt und Wesen des Dargestellten, wie etwa in der prallen orangeroten Form eines Kürbisses (1990) die ganze Farbenpracht und fruchtbare Sinnlichkeit des Herbstes ausgedrückt ist. Bäume, der Wald ziehen sich leitmotivisch durch Gnädingers Werk, gesehen aus unterschiedlichster Perspektive, als Lebensmetaphern, in denen sich Geborgenheit und Sehnsucht begegnen. Das Charakteristische des Baumes ‐ verschlungene Äste und gefurchte Rinde, afrikanischer Baobab oder Ramser Schüppeleiche ‐ tritt in den spontanen Zeichnungen als seismografisch festgehaltene Gefühlsstruktur zutage.

(Frank Nievergelt, 2001)